Michael Klant

Wer tanzen kann mit Winden

Über einen Teil von Nordhessen kreist als Auftakt zum Wind- kunstfestival 2016 eine einmotorige Propellermaschine, die eine Textzeile durch die Luft zieht. Das Banner wird im Anschluss in der Landschaft installiert.

Mit dem Flugverlauf und den wechselnden Blickwinkeln ergeben sich immer neue Hori- zonte und Eindrücke der Let- tern, die – je nach Hintergrund und Licht – von Weiß über zartes Hellgrau bis zu Dunkelgrau changieren und ab und zu mit dem Himmel dahinter unsichtbar verschmelzen.

Der Text variiert eine Zeile aus dem Gedicht »An den Mistral – Ein Tanzlied« des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche. In dieser Ode verwendet Nietzsche den Wind als Metapher für Mut, für die Freiheit der Kunst und für geistige Beweglichkeit (die sprichwörtliche »fröhliche Wissenschaft«). Der Wind ist für Nietzsche ein »Trübsal-Mörder«, doch wer »nicht tanzen kann mit Winden«, gehört zu den »Heuchel-Hänsen«

»Mistral-Wind, du Wolken-Jäger, | Trübsal-Mörder, Himmels-Feger, | Brausender, wie lieb ich dich! ... Tanzen wir in tausend Weisen, | Frei sei unsre Kunst geheissen, | Fröhlich unsre Wissenschaft! ... Wer nicht tanzen kann mit Winden, | ... Wer da gleicht den Heuchel-Hänsen, | Ehren-Tölpeln, Tugend-Gänsen, | Fort aus unsrem Paradeis!« Friedrich Nietzsche: An den Mistral, erstveröffentlicht 1887 in »Lieder des Prinzen Vogelfrei«

Nietzsche schickte sein Gedicht schon 1884 an den befreundeten Komponisten Heinrich Köselitz, der es vertonen sollte, als »Tanz für großes Orchester, das gut brüllen und brausen kann!« Dazu kam es nicht. Grund genug, die Zeile durch den Him- mel fliegen zu lassen, denn das Motorengeräusch und das Knattern des Banners im – beim Flug durch die Bewegung selbst erzeugten – Wind (dem sogenannten »scheinbaren« Wind) umrahmen es mit einer Kakophonie, die Nietzsche am Wind als Brausen und Pfeifen beschrieben hat.

Die Aktion beginnt mit einem dramatischen Manöver: Das Banner wird vom heranfliegenden Flugzeug mit einer Ankerleine vom Boden aufgegriffen. Am Ende des Fluges muss es abgeworfen werden, woraufhin es in Schwüngen zu Boden segelt.

Die Lettern sind untereinander mit einem rasterartigen Netz aus Stäben und Leinen verbunden. Dieses hält sie so zusammen, dass die Buchstabenfolge auch nach der Kunstaktion an einem Gestell aus Pfosten und Spannseilen in der freien Landschaft im Wind wehen und tanzen kann – jetzt wie kleine, leicht flatternde Segel auf Luftströme reagierend.

Aktion und Installation Stäbe, Leinen u. Seile 2m x 25m

 

3. Preis, geteilt: Michael Klant „Wer tanzen kann mit Winden“, Burgberg

Der 3. Preis wurde geteilt, weil die Jury von die Gegensätzlichkeit der Arbeiten unter einem Thema für preiswürdig erklärte. Die größte und die kleinste Arbeit im Bezug zum Horizont bekamen einen Preis.

Ein gechartertes Flugzeug schleppt den Schriftzug zur Eröffnung des Windkunstfestivals durch den Himmel. Bei aller Größe klein in der unendlichen Weite der Wolken. Später stellt der Künstler die Buchstaben in der Landschaft auf: die Buchstaben drehen sich im Wind. 

Exhibition Locations 2016